Erwartungen in schwierigen Zeiten managen

Veröffentlicht von Frank Arnold am

An der Börse ist dies ein bekanntes Phänomen: Ein Unternehmen meldet ein respektables Umsatzplus und sogar überproportionales Gewinnwachstum – Top-Ergebnisse also. Trotzdem sackt der Aktienkurs des Unternehmens jäh ab. Die profane Erklärung: Analysten und Investoren hatten schlicht noch mehr erwartet.

Das Risiko übertriebener Erwartungen

Auch im Arbeitsumfeld von Führungskräften können überhöhte Erwartungen ein bedeutendes Problem darstellen. Diese können in mannigfaltiger Weise auftreten: bezüglich der Eigenschaften eines Produkts, der Terminsetzung für einen Auftrag, bezüglich der mit einem Projekt erzielbaren Rendite oder dem Leistungs-Spektrum eines neu akquirierten Mitarbeiters etc. 

Besonders bei Fusionen oder Übernahmen, wenn Abteilungen oder ganze Sparten neu organisiert und verteilt werden, ist das Risiko, überzogene Erwartungen zu schüren, hoch. Typische Situationen hierfür sind aber auch Zielvereinbarungs-Gespräche oder die Abarbeitung von Aufträgen, die die normale Auftragsgröße des Unternehmens übersteigen.

Dabei sind unrealistische Ziele für den betroffenen Manager selbst, aber auch für die gesamte Organisation sehr gefährlich. Wer aufmerksam ist, wird jedoch wirkungsvoll gegensteuern können. Dazu gilt es etwa, sich bei der Zuteilung von Aufgaben für ein Projekt nicht auf „Hörensagen“ zu verlassen („Der Meier kann das auf jeden Fall“). Zielführender ist es, vorher dokumentierte Ergebnisse einzuholen und zu überprüfen.

Erhält man selbst eine Anfrage für eine neue Aufgabe, fühlt man sich in aller Regel geschmeichelt – speziell, wenn diese eigentlich ein bisschen „zu groß“ ist. Dennoch heißt es, kühlen Kopf zu bewahren. Übernimmt man (besonders mehrmals) Aufgaben, die sich tatsächlich als „zu groß“ herausstellen, beschädigt das zwangsläufig die Reputation. 

Das Paradoxe: Besonders echte Leistungsträger im Unternehmen laufen Gefahr, in die „Erwartungs-Falle“ zu geraten. Genauso wie bei begehrten, hoch bewerteten Wachstums-Unternehmen an der Börse werden sie hart abgestraft, wenn sie ausnahmsweise enttäuschen. Niemand hatte ja die Möglichkeit einer Schwäche oder gar des Scheitern einkalkuliert.

Die Stimmung in den deutschen Chefetagen ist schlecht

In deutschen Chefetagen hat sich die Stimmung im September deutlich verschlechtert. Mit 84,3 Punkten ist der Ifo-Geschäftsklimaindex auf dem tiefsten Wert seit Mai 2020. Die aktuelle Wirtschaftslage wird von den Unternehmer:innen klar schlechter bewertet. Die Einschätzung sinkt um drei Punkte gegenüber dem Vormonat, der grösste Einbruch in den letzten 12 Monaten. 

Laut ifo-Institut steht Deutschland an der Schwelle zur Rezession. Materialmangel, Inflation und drohende Gasknappheit belasten die Erwartungen in den Chefetagen. Pessimistisch blicken die Entscheider:innen auf die kommenden Monate, denn eine Verschlimmerung der Situation in der Ukraine hätte deutliche Folgen für die deutsche Wirtschaft. Dass die Bundesregierung im Kampf gegen Inflation und die Energiekrise keinen klaren Kurs hält, trägt zusätzlich zur Verunsicherung der Wirtschaft bei. 

Nutze die kollektive Intelligenz deiner besten Leute

Für Unternehmer und Top-Führungskräfte ist das eine gefährliche Situation. Ein schlechte Stimmung kann man durch passive Haltung und ständigen Pessimismus auch noch verschlimmern. Damit ist niemandem geholfen. Was jetzt in Unternehmen in einer angespannten Lage gefordert ist, sind Führungskräfte, die offen auf ihre Leute zugehen und die Erwartungen realistisch ausrichten. Zu benennen, dass die Situation viel ernster ist, als man es am Anfang des Jahres oder noch vor eignen Monaten eingeschätzt hat, ist keine Gesichtsverlust, sondern ein Ausdruck von Glaubwürdigkeit. 

Menschen vertrauen Führungskräften, die ehrlich sind. Jetzt zu benennen, dass die Lage schwierig ist und nicht alle ehemals gesteckten Ziele zu erreichen sind, ist kein Führungsversagen. Gerade in schwierigen Zeiten haben Führungskräfte die Chance, die Mannschaft näher zusammenzubringen. Der Ansatz ist einfach und zielführend: Benenne das aktuell schwierigste Problem deines Teams oder deiner Firma. Und diskutiere dann mit deinen besten Leute, welche strategischen Initiativen jetzt anzustossen sind und was konkret getan werden kann, um die schwierige Situation zu meistern. Die kollektive Intelligenz der besten Leute ist jeder einzelnen Führungskraft weit überlegen. Jetzt ist die Zeit, die kollektive Intelligenz deines Teams zu aktivieren. 

Denkanstoss für heute:

  • Welche Erwartungen an wen solltest du jetzt steigern und welche senken? 
  • Jetzt ist die Zeit, die kollektive Intelligenz deines Teams zu aktivieren. Bringe deine besten Leute für die Diskussion über die Situation und zur Entwicklung neuer Lösungen zusammen. Der Tag ist gut investiert. 

Dr. Frank Arnold 

Bestsellerautor, Redner und Berater für Strategie und Veränderungsprozesse. 

Mit „Leadership Journey – Impulse für unternehmerischen Erfolg“ unterstützt er Unternehmer, Geschäftsführer und Führungskräfte sich selbst und ihre Unternehmen erfolgreich zu entwickeln.