Du musst mehr schlechte Ideen haben

Veröffentlicht von Frank Arnold am

Auf dem Bild ist Steven Spielberg bei der Premiere von ‚Ready Player One‘ im Dolby Theater in Hollywood USA am 26. März 2018 zu sehen. Wohl niemand führte so viele unterschiedliche Ideen in der Filmindustrie zu Welterfolgen.


Quellennachweis: Tinseltown / Shutterstock.com

Was hat er alles geschaffen: Jaws (1975), E.T. (1982), The Color Purple (1985), Schindlers Liste (1993), Saving Private Ryan (1998), Adventures of Tintin (2011), Lincoln (2012), West Side Story (2021). Und das sind nur jene Filme, die einen Golden Globe Award gewonnen haben, für insgesamt 12 Filme erhielt er in 35 Oscars.

Was ein Künstler seiner Schaffenskraft an aller erste Stelle NICHT haben darf, ist Angst vor schlechten Ideen. Denn nur wer sich traut, auch mit vielen schlechte Ideen umzugehen, produziert auch genügend gute Ideen. Und genau hier liegt das Problem: Wir sagen «Ich habe nicht die richtige Idee. Ich kann nicht kreativ sein. Es ist anderen Leuten gegeben, grosse Ideen zu entwickeln.»

Das ist eine komplette Erfindung. Keine guten Ideen zu haben, ist eine Erfindung, die wir uns selbst einreden. Genau genommen ist es eine schlechte Angewohnheit, so mit seinen eigenen Ideen umzugehen. Es ist die schlechte Angewohnheit, auf eine «geniale» Idee zu warten. Aber genau das ist mein Punkt: Die geniale Idee kommt nie, wenn wir immer warten. Wenn wir die vielen schlechten Ideen nicht auch zulassen.

Steven Spielberg hat im Zeitraum von 1975 bis 2021 die unglaubliche Anzahl von 29 Filmen gedreht, die eine Nominierung für Academy Awards, BAFTA Awards oder Golden Globe Award erhalten haben. Glaubt irgendjemand, dass Steven Spielberg nur gute Ideen gehabt hat? Natürlich nicht! Um so viele herausragende Filme zu schaffen, muss er selbst als Genie eine Unmenge von schlechten und sehr schlechten Ideen gehabt haben. Einer der zentralen Unterschiede ist, dass er sich traut, mit seinen schlechten Ideen umzugehen. In einem Satz: Er hat keine Angst vor schlechten Ideen!

Wir haben Angst vor schlechten Ideen, weil wir versagen könnten, weil wir Zeit, Geld, Energie verlieren, weil wir uns vielleicht blamieren könnten, weil eine Idee vielleicht doch kein Erfolg sein könnte. Die Liste der Gründe ist endlos und führt immer zum gleichen: Wir finden hundert Entschuldigungen, nicht weiter an unseren Träumen zu arbeiten, die kleine Idee nicht weiter zu entwickeln, so dass sie wachsen und gedeihen kann.

Wir wollen, dass die Angst verschwindet. Das wird sie niemals. Auch nicht für einen Steven Spielberg. Vielleicht sogar gerade nicht für einen Steven Spielberg, weil er so hoch oben steht, dass die Erwartungshaltung an jedes weitere Werk immer noch höher geschraubt wird. Glaubt irgendjemand, dass selbst ihm das keinen Druck bereitet?

«Mise en place»

Ein einfacher Trick, den wir bei vielen Künstlern beobachten können, wird «mise en place» genannt. Mise en place ist ein Ausdruck aus der kulinarischen französischen Küche. Er bedeutet «an Ort und Stelle bringen» oder «sammeln». Professionelle Köche beschreiben damit die Vorbereitung, die vor dem Kochen erforderlich ist. Also die verwendeten Zutaten des Gerichts zu organisieren und anzuordnen. Der Begriff wird heute übertragen auch auf Klassenzimmer, Krankenhäuser, Software-Entwicklung und vieles mehr als «der Prozess der Vorbereitung» und als Geisteshaltung verwendet.

Wenn wir kreativ sein wollen, dann können wir uns dieses Ticks bedienen. Wir können Routinen aufbauen. Wenn wir gute Ideen haben wollen, können wir uns ein Umfeld schaffen, das uns hilft, Ideen festzuhalten und zwar gute und schlechte Ideen.

Thomas Mann (1875 – 1955) hat jeden morgen von neun bis zwölf Uhr an seinem jeweiligen Roman geschrieben; wenn es gut ging, brachte er dabei eine Seite, höchstens anderthalb zu Papier. Dies tat er immer, wo er war. Als England und Frankreich am 3. September 1939 dem Deutschen Reich den Krieg erklärten, war er auf einer Reise durch Schweden und notierte in sein Tagebuch: „Ich schrieb meine Seite wie gewohnt“. Als er 1941 von Princeton nach Kalifornien umzog, räumten die Möbelpacker seine Wohnung, während er im Schlafzimmer „wie gewohnt“ an seiner Seite schreibe. Über ein Jahr hinweg entstanden auf diese Weise 400 Seiten, in drei Jahren war daraus ein umfassender Roman geworden. „Mise en place“, es funktioniert nicht nur in der Kunst.

Als Entscheider müssen wir kreativ sein. In einer Welt, in der sich vieles ändert, vieles beschleunigt und die vieles neu sein wird, können wir uns nicht auf Bestehendes verlassen. Für diese Veränderung können wir uns organisieren. Wir können es uns zur Gewohnheit machen, jeden Tag unsere Ideen schriftlich festzuhalten. Wir können mit unseren Teams Brainstormings machen, bis wir eine schwierige Situation gemeistert haben. Wir können dranbleiben und aus vielen Ideen, jene wenigen herausfinden, die wirklich gut sind. Aber wir müssen mehr schlechte Ideen haben.

Stelle dich darauf ein, dass du belächelt wird, wahrscheinlich wirst du scheitern, wahrscheinlich wird vieles nicht funktionieren. Und das ist gut so. Du bist auf dem Weg, dass viele Ideen entstehen. Kein Bergsteiger ist ohne Anstrengung auf den Gipfel gekommen, kein Radfahrer ohne Durchhalten ans Ziel und kein Läufer ohne Schmerzen ans Ende des Marathons. Es geht nicht ohne Frustrationstoleranz.

Wenn du zu dir sagst: «Ich habe nicht genügend Ideen, wirklich erfolgreich zu werden», «Ich habe nicht genügend Ideen, wie ich die grossen Veränderungen in unserem Unternehmen umsetzen soll», «Ich habe nicht genügend Ideen, wie ich mein grosses Ziel erreichen kann», so würde ich antworten: «Du brauchst mehr schlechte Ideen! Wenn du viele schlechte Ideen hast, sind darunter auch welche, die nicht so schlecht sind und vermutlich auch einige, die eben doch gut sind.»

Du wartest auf die perfekte Idee. Und genau das behindert dich, aussergewöhnliche Ideen zu haben und Aussergewöhnliches zu leisten. Habe mehr schlechte Ideen! Steven Spielberg muss unendlich viele schlechte Ideen verworfen haben…

Denkanstoss für heute:

  • Habe mehr schlechte Ideen!
  • „Mise en place“. Entwickele dein System und deine Routinen für konstant hohe Kreativität.
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Dr. Frank Arnold 

Bestsellerautor, Redner und Berater für Strategie und Veränderungsprozesse. 

Mit „Leadership Journey – Impulse für unternehmerischen Erfolg“ unterstützt er Unternehmer, Geschäftsführer und Führungskräfte sich selbst und ihre Unternehmen erfolgreich zu entwickeln.